Es muss nicht weiter erwähnt werden, dass uns die Sonne in den vergangenen 14 Tagen unter quasi-permanenten Beschuss mit M- und X-Klasse-Eruptionen genommen hat. Die meisten davon mit koronalen Massenauswürfen (CME). Es war also sehr wahrscheinlich, dass wir ein größeres Aurora-Event erleben würden.
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Am Morgen des 6. Mai kam es dann zu einem X4,5-Flare, pünktlich zum am Abend des Folgetages stattfindenden Dienstags-GMAC. Leider war mit diesem Ereignis kein CME verbunden und so hatte der Flare keinen Einfluss auf den Aktivitätsabend.
Die große Sonnenshow begann dann am Mittwochabend, den 8. Mai mit einer X1-Eruption. Vielleicht kam diese Eruption bereits aus der Sonnenfleckenregion AR13664. Das ist aber nicht belegt. In den folgenden Tagen nahm die Region 13664 unsere Erde aber unter vollen Beschuss mit mehreren M- und X-Flares. Die Wartezeit von einigen Stunden nach jeder Eruption, bis die Daten des NASA-Weltraumteleskops LASCO vorlagen, wurde extrem spannend. Nach und nach kamen die Bilder und waren eindeutig: Mehrere volle Halos um die Eruptionen, also erdgrichtete CME! Das Teleskope sieht von der Sonne genau so viel wie wir auf der Erde, nämlich nur die eine Hälfte und das in 2D. Die Halos sind also unsere einzige Möglichkeit im Voraus zu erkennen, ob ein CME die Erde treffen wird oder nicht. Bildet sich ein symmetrischer Halo um die Eruption, darf man von einem bevorstehenden Volltreffer ausgehen. Liegt die Eruption nicht im Zentrum des Halo, aber der Halo ist trotzdem voll zu sehen, bekommen wir einen Teil der ausgeworfenen Protonen ab. Massenauswürfe ohne Halos gehen komplett an uns vorbei.
Ich habe die SpaceWeatherLive App auf dem Handy. Der akustische Alarm ist ab Sonnensturm Stärke S3 bzw. Eruptionen ab M5 gesetzt. Mit dem späten Mittwochabend begannen die Alarme in kurzer Reihenfolge und das hörte bis etwa Sonnabendnachmittag nicht auf. Immer neue Flares, CME und ansteigender Sonnensturm. Ich war selbst fast schon ein bisschen genervt von dem ganzen Gepiepe.
Am Donnerstagfrüh wurde dann klar, dass wir uns auf einen recht starken Sonnensturm einstellen durften. Der erste, eher langsame CME würde von einem schnelleren eingeholt und die Ankunftszeit auf der Erde wurde anfangs mit dem späten Freitagabend (UTC) bis zum frühen Samstagmorgen geschätzt. Zwei CME-Einschläge zur selben Zeit, das musste was werden. Nur wann, denn die geschätzte Ankunft zog sich über viele Stunden hin?
Zu diesem Zeitpunkt durften wir auf drei CME mit Volltreffer am Wochenende 10.-12. Mai hoffen. Aber die Sonne hat nicht aufgehört! Die zwei zeitgleich eintreffenden CME waren nur der Anfang. Insgesamt machten sich in relativ kurzer Zeit sechs CME auf den Weg zu uns. Daher hatte dieses Ereignis eine ungewöhnlich lange Dauer, denn der von den ersten beiden Eruptionen ausgelöste Sonnensturm wurde durch die weiteren Eruptionen in den kommenen Stunden und Tagen auf hohem Level gehalten.
Und damit zu Freitagmorgen. Die Lage spitzt sich zu. Die Sonne hatte weiterhin nicht aufgehört, uns unter Beschuss zu nehmen. WSA-ENLiL, die Kurzzeit-Vorhersage der US-amerikanischen Wetterbehörde NOAA, bestätigt das Zusammentreffen der beiden ersten CME. Und das Unglaubliche: Etwa gleichzeitig veröffentlichte Kai Zorn seine Tageswettervorhersage für Freitag und Sonnabend: Größtenteils heiterer oder gar wolkenloser Himmel über DL! Das darf doch nicht wahr sein, Sonnensturm, Wochenende und gutes Wetter fallen zusammen? Man hätte Lotto spielen sollen. Bei so viel Glück wäre auch noch ein Sechser mit Zusatzzahl möglich gewesen.
. Quellen: swpc.noaa.com / Youtube
Bis Freitag basierten alle Annahmen auf den Daten des Weltraumteleskops STEREO A sowie LASCO, also Messwerte und deren Interpretationen von einem Punkt tief im Raum Richtung Sonne. Es ist also bis hier nur Interpretation und Vorhersage, ob und wann etwas kommen wird.
Der Abstand nur nächsten Messstelle im Raum ist recht groß. Am Lagrange-Punkt L1 ist DSCOVR auf einer Erdumlaufbahn geparkt. Dieses Weltraumobservatorium wurde von der NASA ins All geschossen, um je nach Geschwindigkeit eines Sonnensturmes eine Vorwarnzeit von mindestens 15 Minuten bis zu einer Stunde vor Eintreffen in der Erdatmosphäre zu erreichen.
. Quelle: spaceweatherlive.com
Alles deutete also bis hier darauf hin, dass etwas wirklich richtig und sowas von Dickes auf uns zukommt. Unterdessen hatte NOAH die zu erwartende Stärke des kommenden Sonnensturmes mit G3 (dritte von fünf G-Stufen) vorhergesagt. Das war eher konservativ, wie wir heute wissen. Sogar die ansonsten sehr vorsichtige NASA prognostizierte im Laufe des Freitagvormittags die Auswirkungen des Sturms mit S4, der zweithöchsten Stufe von Auswirkungen, die ein Sonnensturm haben kann. Außerdem war bereits Kp 8 vorhergesagt.
Ouauerha! Das darf man auf keinen Fall verpassen! Es war damit an der Zeit, mal alle zu warnen, die das vielleicht interessiert: Freunde, Verwandte und Funkfreunde. Egal, ob Funkamateur oder nicht, dieses bevorstehende Schauspiel durfte man nicht verpassen. Rückblickend hier auch der zusammengefasste Sonnenwetterbericht/ -vorhersage von Tamitha Skov zum Ereignis.
. Youtube
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Ich wurde vollkommen hibbelig und den Rest des Freitags drehte sich bei mir alles nur noch um diesen Sonnensturm.
- Der Funkrucksack wollte gepackt werden. Bei solch einer Gelegenheit muss ich nicht erwähnen, dass das Packen mit besonderer Umsicht zu geschehen hatte, nicht dass ich noch irgendein betriebswichtiges Teil vergesse (wie im Dezember 2017 zum Beispiel als ich ohne Antenne zum GMAC auf dem Ith erschienen bin). Schließlich bin ich nicht Funkamateur geworden, um wie alle anderen nur die sichtbaren Auswirkungen einer Aurora zu beobachten.
- Immer wieder Daten und Interpretationen im Netz zum Ereignis sowie die weiterhin eintreffenden Alarme der SWL-App checken.
- Die oben genannten Leute immer weiter mit Nachrichten zum neuesten Stand der kommenden Aurora bombardieren.
Am frühen Freitagnachmittag gab es dann genauere Berechnungen. Zum oben genannten "Sechser" kam jetzt noch das Sahnehäubchen: Die Welle aus CME würde uns nicht erst spät in der Nacht treffen, sondern bereits am späteren Freitagabend, und zwar Küchenzeit, nicht UTC! Kein Wecker, der mitten in der nach klingelt, oder irsinnig langes Wachbleiben nötig. Jack Nicholson würde sagen: "Besser geht's nicht!"
Doch, es geht noch besser! Am späten Freitagnachmittag gegen 1500z meldete DSCOVR, dass die erste Welle aus mittlerweile sechs erdgerichteten CME eintrifft. Perfekt, bis der Sturm seine vollen Auswirkungen erreichen sollte, würde es dunkel sein. Spätestens jetzt war klar, dass es sich hierbei um ein Jahrzehntereignis handeln muss. Meine vage Hoffnung auf Aurora im Zweit-QTH in JO50 mutierte in ein gewisses Anspruchsdenken, dass ich ohne sichtbare Aurora ziemlich enttäuscht wäre. Aber diese Hoffnung sollte weit hinter den tatsächlichen Ereignissen zurückbleiben.
Fortsetzung folgt.