Der Wetterbericht für den 19.11. ist nicht rosig: Nachts Scheeschauer, tags Sprühregen und Windböen bis 50 km/h. Doch als ich morgens aufstehe, ist es in Kronach sonnig und keine Spur von Schnee oder Wind. Also mache ich mich auf den Weg zu meinem bevorzugten QTH für den Sonntags-GMAC, dem Kalvarienberg in der Nähe von Pegnitz. Die Sonne verläßt mich auf der Fahrt Richtung Bayreuth, doch überrascht werde ich erst südlich von Creußen, als rund 5 cm Neuschnee den Wald am Kitschenrain in eine dekorative Winterlandschaft verwandelt - also gut, es gibt also doch Schnee. In Thurndorf biege ich Richtung Kapelle und Aussichtsturm ab, vorbei an einem Schild "kein Winterdienst". Von wegen, die Zufahrtsstraße ist perfekt geräumt.
Wie üblich parke ich das Auto rund 500 m vom Aussichtsturm entfernt, schließlich muß der letzte Teil des Wegs mit Muskelkraft zurückgelegt werden. Als ich aussteige, empfängt mich ein kräftiger Wind, der mir die 2°C Lufttemperatur eiskalt erscheinen läßt. So hatte ich mir das eigentlich nicht vorgestellt. Mal sehen, ob ich bei dem Wind überhaupt auf dem Aussichtsturm Betrieb machen kann.
Die zweigeteilte Flexa-Yagi aus dem Kofferraum geholt, zusammengeschraubt und an den Kotflügel hinten links gelehnt. Bis ich mit Winterstiefel, Mütze, Rucksack und Antennenmast ausgestattet bin, hat schon eine Windböe die Yagi erfaßt und umgeworfen - das geht ja gut los. Trotzdem mache ich mich auf den Weg zum Aussichtsturm. Dort mahnt ein ganzer Schilderwald "Bei Schnee und Eisglätte gesperrt.", "Eisglätte Rutschgefahr", "Eisglätte Dachlawinen und Eiszapfen", "Achtung Blitzspannung! Bei Gewitter Bereich räumen / nicht betreten". Mein Gott, der Turm ist ja eine Todesfalle! Todesmutig betrete ich die ersten Stufen. Von wegen Eisglätte. Alles griffig und der Sicherheitsbeauftragte in mir beschließt, daß keine Schneeglätte vorliegt. Also ist der Turm auch nicht gesperrt. Da derzeit auch kein Gewitter aufzieht, habe ich gute Chancen den Aufenthalt auf dem Turm doch zu überleben - sollte mich der Sturm nicht herunterblasen oder ich dort oben erfrieren.
Oben auf dem Turm bietet sich ein interessantes Bild: Richtung Süden liegt bis zum Horizont Schnee, Richtung Norden ist es grün, soweit die eingeschränkte Sicht reicht. Der Kalvarienberg liegt also gerade an der Grenze des Schneegebiets. Beim Aufbau der Station achte ich darauf, daß "leicht flüchtige" Teile nie unbeschwert sind. Sitzunterlage, die Deckel der Speiseeisdosen und die Plastiktüte gegen die Nässe wären sonst schnell vom Winde verweht. Auf das Ausfahren des Masts auf volle Höhe verzichte ich ebenfalls, dafür ist es mir doch zu windig.
OK1KQH ist um 10:57 MEZ die erste Station im Log - ich bin doch etwas spät dran. Der OK-Contest ist in vollem Gang und um 11:16 bin ich schon bei QSO Nummer 7. Mit JN79, JN69, JO60, JN99, JN89 sammle ich fleißig Großfelder. OK1IV? auf 144,257 MHz ist von einer zweiten Station überlagert, ich bekomme das Rufzeichen nicht mit und dann ist OK1IV? weg. Da ruft doch ein F4? Flugs die Antenne um 180° gedreht. Tatsächlich, da ruft F4FLU aus JN27VF und um 11:19 MEZ steht er auch schon im Log. Um 11:25 finde ich Erhard, DF9ME/p, auf 144,255 MHz CQ rufend. Ich hatte ihn vorher schon ein paar OK-Stationen anrufen gehört, aber keine Gelegenheit gefunden ihn auf eine andere Frequenz zu lotsen. Nach dem Austausch der Bergreferenzen für das S2S nehmen wir uns die Zeit für eine kurze Unterhaltung über Wetter und Bedingungen. Als ich schon weiterdrehen will, ruft Thomas, DC1TRX, Erhard an und nach dem QSO überläßt mir Erhard kurz die Frequenz zur Kontaktaufnahme mit Thomas. Wir machen höflich QSY auf die 144,260 MHz für ein kurzes QSO. Wieder auf der Jagd arbeite ich gerade OK6TT auf 144,210 MHz, als sich Manfred, DL9NDK, bemerkbar macht. Nach Frequenzwechsel auf die 144,205 MHz schenkt mir Manfred das Großfeld JO50, das QSO ist damit 584 Punkte wert. Manfred nochmal vielen Dank für das QSO. Nach SP6KEP ist OK1VDJ die letzte Station im Wettbewerbszeitraum des OK-Contests. Ich überlege schon, auch selbst die Segel zu streichen.
Doch etwas später höre ich HG1DRD, wie üblich zeigt das geizige S-Meter des FT-817 keine Feldstärke an. Mehrmals werde ich als DB7MMG gehört, zwei Buchstaben im Suffix mit portable sind eine Steilvorlage für solche Fehler. Doch nach mehreren Anläufen hat es HG1DRD verstanden und bescheinigt mir neben dem obligatorischen Contest-Rapport 59 ein "excellent signal", wohl weil er die Antenne nachgedreht hat. Kurz darauf arbeite ich 9A0V, 9A8D und S57O. Der 9A- oder S5-Contest bringen schöne Verbindungen, der bewölkte Himmel dafür aber auch einige Schneegraupel. Als ich S56P anrufe, wackelt die Antenne kräftig in den Sturmböen, das Wetter wird zunehmend unfreundlich. Ich finde eine Station aus JN59KK mit Erhard im QSO - mein eigenes Großfeld habe ich noch nicht im Log. Leider fehlt mir das Rufzeichen der Station. Also nach Erhards QSO reingerufen - Stille. Zweiter Versuch - Stille. Jetzt rufe ich explizit die Station in JN59KK und schließlich kommt Michael, DK2KK, zurück. Er hatte gar nicht vermutet, daß ich ihn anrufe. Weiter auf der Jagd nach Contest-Stationen höre ich HG6IDZ aus dem Rauschen auftauchen und darin wieder verschwinden, unwiederbringlich. S56O ist jetzt mit 55 auf dem geizigen S-Meter des FT-817 deutlich stärker als zuvor, nur leider schon im Log. Aber 9A9I und 9A2DM sind nochmal je über 550 km entfernt. Kurz vor Ende des GMAC-Wettbewerbszeitraums höre ich 9A7D, er aber mich nicht. "Callsign?" fragt er, zu mehr reicht es nicht. Was macht eigentlich mein Akku? 11,7 V in den Modulationsspitzen, da dürfte die kleine Alinco-PA schon merklich weniger Leistung machen. Jetzt zählt jedes dB! Also schnell auf den zweiten LiFePO4-Akku umgesteckt und erneut angerufen. Jetzt klappt's, obwohl auch der zweite Akku gut gekühlt seine Leistung nur unter deutlichem Spannungsabfall abgibt. Egal, 691 km um 12:59 MEZ, das war das letzte QSO.

Der Blick vom Aussichtsturm Richtung Thurndorf mit Auto in DX-Entfernung für die Funkfernbedienung (rote Markierung).
Beim Abbau wünsche ich mich bereits sehnlich ins warme Auto. Damit der Wunsch bereits beim Einsteigen erfüllt wird, krame ich die Fernbedienung der Standheizung aus der Hosentasche und drücke den Einschaltknopf. Die LED an der eiförmigen Fernbedienung blinkt hektisch orange: keine Funkverbindung. Das kann doch wohl nicht sein, gerade habe ich 760 km per Funk überbrückt und jetzt scheitere ich an 500 m mit Sichtverbindung! Verärgert über die mangelnden DX-Fähigkeiten der Fernbedienung stecke ich den Schlüsselbund wieder in die Tasche und verstaue die Station im Rucksack. Bevor ich den Turm verlasse, bekommt die Standheizung noch eine Chance, diesmal von der anderen Ecke des Aussichtsturms. Diesmal wird mein Tastendruck mit einer regelmäßig rot blinkenden LED bestätigt: Heizung läuft - geht doch.
Auf dem Rückweg zum Auto stelle ich fest, wie die Temperaturen über 0°C den nächtlichen Schnee bereits merklich dezimiert haben. Auf der Rückfahrt kurz vor Kronach setzt Regen ein, da habe ich mit dem Wetter ja wieder mal Glück gehabt.